Capitalism: A Love Story

Kapitalismus. Wir scheinen in dieses System hineingeboren, ohne Entkommen ihm ausgesetzt zu sein. Wir arrangieren uns, passen uns dem System an, halten es für normal. Kompetitiv sein, Geld anhäufen, Konsumieren. Das System führt dazu, dass Baumwollpflückerinnen in dritte Welt Ländern einen Hungerlohn für ihre harte Arbeit bekommen, damit wir dann für wenige Euro ein Billig-T-Shirt beim Diskonter kaufen können. Ressourcen werden gnadenlos ausgebeutet, ohne Rücksicht auf Umwelt und Nachhaltigkeit. Gleichzeitig ermöglicht das System aber auch enormen technologischen Fortschritt, Querfinanzierung von wichtigen sozialen Bausteinen (wie Arbeitslosengeld, Unterstützung von Familien, Unterstützung von Behinderten, Invalidenpension, allgemeine Infrastruktur etc).

Ich fand diese Thematik schon immer faszinierend und würde meinen, dass es ein hervorragendes Betätigungsfeld der Politik sein sollte, dieses System zu finetunen und die Mängel, die zweifelsohne existieren, zum Wohle der Menschheit und des Planeten auszumerzen. Kann man Kapitalismus auch „gut“ machen? Und noch weiter gedacht – was gäbe es für Alternativen? Auch abseits des oft genannten Gegenkonzepts „sozialistisch/kommunistische Planwirtschaft“?

Dazu gibt’s mMn zu wenig Diskussion. Und selbst von deklariert links positionierten Parteien kaum Gegenentwürfe. In naiver Hoffnung habe ich diese Doku vom Filmmacher Michael Moore angesehen, ob er vielleicht ein paar wertvolle Takes zu dem Thema beisteuern kann. Leider wurde ich enttäuscht.

Die Dokumentation ist ganz stark amerika-lastig. Es werden ausschließlich scheußliche Beispiele von Geschäftemacherei und Korruption auf amerikanischem Boden vorgeführt. Familien, denen eine Hypothek auf ihr Haus aufgeschwatzt wird, und die dann nach stetigem Steigen ihrer Rückzahlungsraten daraus delogiert werden zum Beispiel. Prominent wird das Bailout der Banken besprochen, also die Schuldenübernahme diverser Banken durch den Staat, die sich durch hochriskante Finanzwetten und Spielerein in die Bredouille gebracht haben. Das ist auch durchaus interessant, und definitiv ein skandalöser Fall von unzulässiger Verflechtung von Staat und Finanzfirmen. Man kann das auch irgendwie als einen besonders grotesken Auswuchs des kapitalistischen Systems sehen, insofern als dass da jemand gewinnmaximiert hat. Aber eigentlich ist es eben kein gutes Beispiel dafür, denn gerade dieser Bailout ist ja gerade nicht das, was gemäß der Lehre des Kapitalismus mit einer Firma, die schlechte Managemententscheidungen trifft passieren würde – eine solche Firma müsste natürlich in Konkurs gehen und vom Markt verschwinden. Stattdessen handelt es sich hier um einen gigantischen Fall von Korruption.

Wird irgendwann von Alternativen oder Lösungen gesprochen? Nicht ernsthaft. Einmal wird erwähnt, dass bei einer Befragung eine Teilgruppe der Befragten (Junge) Sozialismus als fast so attraktiv wie Kommunismus empfanden. Aber erstens ist das irrelevant (weil nur Teilgruppe, und weil nur fast), zweitens wer behauptet denn, dass Sozialismus überhaupt besser wäre? Auf das geht der Filmemacher – aus gutem Grund – erst gar nicht ein. Und genau das ist das, was dem Film bitter fehlt – eine Vision, ein positiver Ausblick. Mit Almosen und „nett sein“ wird’s nämlich nicht gehen.