Die Wannseekonferenz

Die Wannseekonferenz war mir vormals kein Begriff. Nun anlässlich der Ausstrahlung im deutschen und österreichischen Fernsehen bin ich darüber gestolpert und habe mir die Produktion angesehen. Verfilmt wurde hier das Protokoll einer Versammlung der Nazis vom 20. Jänner 1942. Diese Versammlung, bei der die wichtigsten und namhaftesten Obernazis geladen waren, fand in einem feudalen Wohnsitz am Wannsee statt. Ziel der Gespräche war, über Strategie und Umsetzung der „Endlösung“ für die Judenfrage zu sprechen. Wir wir heute wissen, war damit die systematische Vernichtung des Volkes der Juden gemeint. 11 Millionen über verschiedene Länder in Europa verteilt, nicht überall sind die Machtstrukturen und Voraussetzungen die selben, eine logistische Herausforderung.

Wie ist es möglich, nüchtern und sachlich über die absolut verrückte Idee zu diskutieren, ein ganzes Volk systematisch auszurotten? Gibt es niemanden, der sich bei der Vorstellung sofort ankotzt? Niemand, der aufsteht und erläutert, wie abgefahren crazy dieser Plan ist? Niemand, der es wagt, moralische Aspekte anzusprechen? Diese Unglaublichkeit ist es, die mich dazu gebracht hat, diesen Film anzusehen. Wenn die Darstellungen den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen, dann war die Verschleierung und Verklausulierung von Begriffen offenbar eine Methode, die die Nazis an sich selbst angewendet haben. So verwenden sie zum Beispiel nie Begriffe wie Mord, Massenvernichtung oder Genozid. Sondern sprechen stattdessen verschleiernd von einer Sonderbehandlung der Juden. Weiters werden auch immer wieder beschwörerisch Formulierungen verwendet, die das Judentum defakto einer Krankheit oder einem Ungezieferbefall metaphorisch gleichsetzen. Einerseits wird damit ein ganzes Volk entmenschlicht, andererseits wird damit ein Handlungsgebot argumentiert – man wäre quasi verpflichtet, hier radikal zu handeln.

Den Teilnehmern war durchaus bewusst, dass die geplanten Aktionen so krank waren, dass es kaum möglich ware, diese so dauerhaft konsequent durchzuführen, ohne dabei den Verstand zu verlieren. Das war durchaus ein Thema bei dieser Konferenz. So wurde darüber nachgedacht, wie man die Tötungsmaschinerie so elegant und effizient wie möglich gestalten könne, damit der Kontakt der durchführenden Personen mit dem direkten Greuel so indirekt wie möglich passieren würde. Nur so wäre es möglich, dies tatsächlich über die ausreichend lange Zeit durchzuführen.

Als ich den Film gesehen habe, schwirrte mir immer wieder im Kopf rum, ob die dargestellten Dialoge denn wirklich genau so stattgefunden haben, oder ob sie irgendwie geschönt waren. Nachdem eine Protokollführerin anwesend war (die einzige Frau übrigens im Raum) sah es ganz danach aus und ich ging mal davon aus. Allerdings kam dann gegen Ende des Films zur Sprache, dass das Protokoll an die Teilnehmer versendet würde, und im Zuge dessen wurde aber auch entschieden, dass das Protokoll vorher redigiert und überarbeitet würde. Das verunsicherte mich dann wieder in dieser Annahme – was bedeutet das für den Film? Wurde doch nicht so geredet? Das war anzunehmen – aber wie dann wirklich? Noch roher, unverblümter? Davon ist auszugehen. So oder so ist der Film ein grauenvoll sehenswertes Mahnmal.